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29 Oktober 2020

«Der TCS geht mit der Zeit»

Éric Collomb wurde vor kurzem ins Präsidium des TCS gewählt. Er spricht über die Zukunftsvisionen des Clubs und die Mobilitätspolitik im Kanton Freiburg.
Sie sind seit acht Jahren Präsident der Freiburger Sektion und wurden vor kurzem ins Präsidium des TCS gewählt. Wie beurteilen Sie den Einfluss des TCS auf die Mobilitätspolitik in der Schweiz?
Der TCS hat in den letzten Jahren eine wichtige Wende vollzogen und wir treten heute dafür ein, dass die kombinierte Mobilität vermehrt gefördert wird. Dies war bereits vor acht Jahren ein Thema, aber wir haben uns beispielsweise nicht so intensiv mit dem Langsamverkehr beschäftigt wie heute. 2018 haben wir den Bundesbeschluss über die Velowege sowie die Fuss- und Wanderwege unterstützt, der die Notwendigkeit, Velowege zu schaffen, in der Bundesverfassung festschreibt. Dabei zogen wir am gleichen Strang wie Pro Velo – in Freiburg arbeiten wir übrigens gemeinsam an einem Kursangebot für E-Bike-Fahrer.
Wir haben uns wirklich diversifiziert. Wir setzen uns nach wie vor für die Nutzer des motorisierten Individualverkehrs (MIV) ein, konzentrieren uns aber auch vermehrt mit sämtlichen Themen im Zusammenhang mit dem Langsamverkehr. Es geht um die Zukunft unseres Clubs: Es wäre falsch, nur an die Nutzer des MIV zu denken. Die Mobilität verändert sich und wir passen uns an unsere Zeit an.
Diese Veränderung ist ein langfristiger Prozess. Für einen grossen Teil der heutigen Stadtbevölkerung ist der Langsamverkehr wichtiger als das Auto, daher müssen wir ein offenes Ohr für sie haben.

Haben Sie wirklich eine Wahl?
Der Verwaltungsrat ist sich bewusst, dass wir uns langfristig um unsere wirtschaftliche Zukunft Sorgen machen müssen, wenn wir an einer Vision festhalten, die ausschliesslich auf den MIV ausgerichtet ist. Aber unsere Überlegungen sind nicht nur wirtschaftlicher Art. Sie entsprechen auch unserer Philosophie, sind wir doch eher gemässigt. Wir machen selbstverständlich keine Parteipolitik: In Bezug auf den Langsamverkehr stimmen unsere Positionen manchmal mit jenen der Linksparteien überein und in Bezug auf den MIV manchmal mit jenen der bürgerlichen Parteien. Uns ist ein wirkungsvolles Zusammenspiel aller Verkehrsmittel wichtig.

Können Sie sich auf Bundes- und Kantonsebene Gehör verschaffen?
Vertreter des TCS haben im Nationalrat Grundlagenarbeit geleistet. Die Mitglieder unseres Bereichs Politik stehen ebenfalls in engem Kontakt mit dem Parlament. In Freiburg kann ich die Anliegen des TCS im Grossen Rat einbringen. So konnte ich eine Motion einreichen, die den Kanton dazu verleitet hat, ein völlig neues Mobilitätsgesetz auszuarbeiten. Wir sind auf diese Verankerung in den Parlamenten angewiesen, um gehört zu werden. In diesem Sinne stehen wir auch in engem Kontakt mit den kommunalen und kantonalen Exekutiven. Der TCS verfügt über politische Schlagkraft… und er wird gehört.

Sie haben soeben Stellung gegen das Vorhaben der Stadt Freiburg bezogen, auf dem Grossteil ihrer Strassen Tempo 30 einzuführen. Weshalb?
Wir sind der Meinung, dass die Politik der Stadt letztlich darauf abzielt, den MIV in der Stadt zu verbieten. Auch wenn wir verstehen, dass der endlose Strom von Autos nicht länger zumutbar ist, sind wir doch überzeugt, dass dieser Übergang schrittweise erfolgen muss.
Die Behörden haben das Lärmproblem angesprochen. Wir haben deshalb vorgeschlagen, die Massnahme zunächst während der Nacht umzusetzen. Die von der Stadt ergriffene Massnahme ist zu radikal und für die Autofahrer eine unnötige Schikane. Natürlich bringt es niemanden um, wenn er einige Minuten länger braucht, um in die Stadt zu gelangen, wir haben jedoch ein Problem mit der Autoverbotspolitik des Gemeinderats von Freiburg.

Freiburg will uns also die Lärmproblematik «verkaufen», um eine restriktive Politik zu verfolgen?
Ja, genauso ist est. Es gab eine Zeit, da ging es um Sicherheit, dann um die Umweltbelastung und nun um den Lärm. Es wird nach Möglichkeiten gesucht, die Autos aus der Stadt zu verbannen.
Grundsätzlich bin ich nicht dagegen, aber hier wird das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt. Alle Freiburgerinnen und Freiburger, die ins Stadtzentrum gelangen wollen, müssen dies auch auf effiziente Weise tun können. Viele Menschen im Kanton verfügen nicht über ein ausreichendes öV-Angebot, um mit zumutbarem Aufwand nach Freiburg zu gelangen. Sie müssen deshalb ihr Auto nehmen.
Wir müssen schrittweise vorgehen, um eine Gleichbehandlung aller Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons sicherzustellen. Man kann nicht einfach sagen: «Wir verbannen die Autos aus der Stadt und alle, die nun nicht mehr in die Stadt Freiburg kommen können, haben eben Pech gehabt!» Damit wird Automobilisten, die in Gegenden mit einer schlechten Anbindung an den öffentlichen Verkehr leben, nicht Rechnung getragen.

Zugleich werden bei 40% der Autofahrten in der Agglomeration weniger als 3 km zurückgelegt. Wenn diese Autos aus dem Verkehr gezogen würden, würden alle problemlos in die Stadt fahren, selbst bei 30 km/h…
Ich denke, dass wir in Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen Mobilitätspläne umsetzen müssen, damit die in der Agglomeration lebenden Mitarbeitenden mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen können. Der zwingende Charakter dieser Massnahme mag erstaunen, es ist jedoch immer noch einfacher, für 3 km auf sein Auto zu verzichten, als von den Einwohnern von Montbovon oder Châtelard zu verlangen, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Freiburg zur Arbeit zu fahren.

Sie sind Vizepräsident der Projektoberleitung des neuen Mobilitätsgesetzes des Kantons Freiburg. Wie weit sind Sie mit den Arbeiten?
Wir haben uns erhofft, die Arbeiten bis zum Ende der Legislaturperiode abzuschliessen. Das sollte der Fall sein. Wir sind zuversichtlich, im Januar 2021 darüber kommunizieren zu können. Das Gesetz ist sehr innovativ. Wir haben viel für das Velo, das Wandern, die Nachhaltigkeit getan. Wir sind weiter gegangen, als wir gedacht haben. Die Vernehmlassung wird sicherlich im Laufe des Winters 2021 stattfinden, die parlamentarische Kommission wird das Gesetz noch vor dem Herbst analysieren. Im September dürfte es dem Parlament vorgelegt werden. Das ist knapp, aber die Arbeiten am Gesetz könnten bis zum Ende der Legislaturperiode abgeschlossen sein.

Interview: Charly Veuthey
 

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