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07 Juli 2020

Ein zentrales Jahr

Der Automobilsektor steht aufgrund der neuen CO2-Vor-schriften bereits unter Druck. Der Zeitpunkt der Coronakrise könnte nicht ungünstiger sein.

Wir stehen kurz vor einer neuen Ära des Automobils. Dies ist eindeutig ein entscheidendes Jahr», sagt Patrick Schwaller. «Die Coronakrise könnte diese Wende jedoch auf 2021 verschieben. Wir sind darauf vorbereitet. Andererseits ist es auch so, dass wir seit dem Auftreten des Coronavirus etwas im Dunkeln tappen.»
Dieser Meinung ist auch Jean-François Lacilla: «Ich bin vom Elektroauto wirklich überzeugt. Unsere Marke Nissan bietet es seit 11 Jahren an. 2019 erlebten wir einen richtigen Aufschwung. 2020 hätte für diese Fahrzeuge entscheidend sein sollen, aber ich befürchte, dass es vor allem ein Jahr sein wird, in dem wir das Vertrauen der Konsumenten wiedergewinnen müssen. Vor der Krise gab es eine grosse Nachfrage nach Elektrofahrzeugen. Aber heute verhalten sich die Kunden zögerlich. Falls es nicht zu einer zweiten Phase der Krise kommt, wird die Wende vermutlich tatsächlich 2021 stattfinden.»
Die Pandemie hat nicht nur die Abneh-mer getroffen. In Europa verursachten die Fabrikschliessungen Produktionsver-luste von beinahe 2,3 Millionen Fahrzeugen.

Ein Umbruch in der Automobil-branche

Die Pandemie kam zu einem Zeitpunkt, als in der Industrie aufgrund der neuen CO2-Vorschriften seit dem 1. Januar 2020 gerade ein grosser Umbruch begonnen hatte. In der La Liberté vom 3. Juni kommentiert Denis Robert: «Für die Automobilindustrie kam dies ganz und gar ungelegen. Sie war bereits gezwungen, die CO2-Höchstgrenzen einzuhalten – was de facto bedeutet, dass alle neuen Fahrzeuge vollständig oder teilweise elektrifiziert werden müssen. Sie wurde von der Coronakrise hart getroffen.» Die Hersteller mussten zwischen 2019 und 2020 die CO2-Emissionen um 20% senken. Wie in der Zeitung AGEFI vom 8. September 2019 zu lesen war, benötigten sie jedoch bereits 10 Jahre, um diese um 25% zu senken. Im gleichen Artikel wird erwähnt, dass die Entwicklung von Hybrid- und Elektromodellen in den kommenden 8 Jahren Kosten von 250 Milliarden Euro verursachen wird, im Vergleich zu 25 Milliarden in den vorangegangenen 8 Jahren.
In Deutschland, wo über 800'000 Menschen in der Automobilbranche arbeiten, werden die Hersteller von Verbrennungsmotoren nichts vom
130-Milliarden-Konjunkturpaket abbekommen. Ein starkes Zeichen! Damit wird es jedoch möglich, die Prämie für den Kauf eines Elektrofahr-zeugs von 3000 auf 6000 Euro zu verdoppeln und 2,5 Milliarden Euro in die Entwicklung eines Netzes von Ladestationen, die Herstellung von Batterien und die Forschung an wasser-stoffbetriebenen Fahrzeugen zu investie-ren.
Deutschland steht vor umfassenden Umstrukturierungen: Daimler hat den Abbau von 10'000 Arbeitsplätzen angekündigt, Volkswagen will 30'000 Stellen streichen. Für Europa dürfte diese Wende schwierig sein, da sie den Bedarf an Batterien fördert, deren Herstellung fest in den Händen von asiatischen Unternehmensgruppen liegt. Die Hersteller befinden sich jedoch nicht alle in der gleichen misslichen Lage. Toyota hat sein erstes Hybridauto bereits vor zweiundzwanzig Jahren auf den Markt gebracht und ist den meisten Konkurrenten weit voraus. Für die Garage Berset, deren Aushängeschild Toyota ist, präsentiert sich die Situation also eher günstig. «Wir sehen heute klar, dass die Leute, die in die Garage kommen, stark auf die Energieeffizienzkategorie achten. Glücklicherweise verfügen wir mit Toyota über eine ideale Marke. Hybridautos machen bereits 70% unserer Verkäufe aus. Toyota fördert den Verkauf mit einem kostenlosen Service nur für Hybridmodelle.» Sie stellt jedoch fest, dass diese Entwicklungen nicht ohne Folgen bleiben werden: «Wir sind uns natürlich bewusst, dass diese Veränderung zu einem geringeren Arbeitsvolumen in unseren Werkstätten führen kann. Elektromotoren benötigen viel weniger Wartung als Verbrennungsmotoren.» Auch das Profil der jungen Leute im Unternehmen verändert sich: Die Mechaniker werden nach und nach durch Mechatroniker ersetzt.
Der gegenwärtige Umbruch könnte jedoch auch eine Chance sein. Jean-François Lacilla fordert einen Mentalitätswechsel in der Industrie: «Die Importeure müssen wieder merken, dass es nicht nur auf die Rabatte ankommt. Vor einigen Jahren kauften die Menschen aus Leidenschaft ein Auto. Heute kaufen sie ein Werkzeug.» Er findet es wichtig, innovativ zu sein, um weiterhin seine Kunden begeistern zu können. Andere Beobachter hoffen wiederum, dass die Wende auch die Hersteller wieder zur Besinnung bringt und sie ihrer Flucht nach vorne ein Ende setzen. Es gab eine Zeit, in der sie produzierten, um die Nachfrage zu befriedigen, heute produzieren sie, ohne sich um die Nachfrage zu kümmern.
 
Neue CO2-Zielwerte
Seit dem 1. Januar 2020 schreiben die europäischen Vorschriften ein neues CO2-Emissionsziel für Neuwagen vor: Diese dürfen im Schnitt den Zielwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer nicht überschreiten. Hersteller, die diese Obergrenze nicht einhalten, müssen für jedes Gramm, das diesen Höchstwert überschreitet, 95 Euro für jedes in Europa verkaufte Fahrzeug bezahlen. Die Strafen könnten sich auf mehrere hundert Millionen Euro belaufen. Die Hersteller haben keine Wahl: Gewisse Modelle, die zu viel Schadstoffe produzieren, werden einfach vom Markt genommen. Sie müssen deshalb zwangsläufig Hybrid- und Elektrofahrzeuge anbieten, um die Emissionen ihrer Modelle, die mehr CO2 produzieren, zu kompensieren.

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